Test Seitenwechsel: Vom Regisseur zum Schauspieler

Seitenwechsel: Vom Regisseur zum Schauspieler

Der Dokumentarfilmregisseur und Kameramann Kai Ehlers berichtet, wie es sich anfühlt, plötzlich als Schauspieler vor der Kamera zu stehen und was man dabei über den Umgang mit Schauspielern als Regisseur lernen kann.

// 12:05 Do, 10. Aug 2017von

Vielleicht begann alles mit Helene. 2013 im Mai war mein Film über Helene Fischer fertig, den ich für die ARD gedreht habe. Ein Jahr andauernde Übung in Diplomatie lag da hinter mir. Die Aufgabe war, der paradoxen Konstellation, einen Film über eine Geschäfsfrau machen zu wollen, deren maßgebliche Aufgabe darin besteht, das eigene Image zu kontrollieren, Szenen abzutrotzen, die einen ernstzunehmenden Film begründen können. Ob das gelungen ist, mögen andere beurteilen. Fest steht, dass ich nicht nur total ausgelaugt war, sondern die Sehnsucht aufkam, in Zukunft nicht mehr nur im Direct-Cinema-Style zur Fliege an der Wand zu werden und dabei quasi selbst zu verschwinden, sondern im Gegenteil mal rauszulassen, was bei mir los ist, ohne auf neue Helenes Rücksicht nehmen zu müssen.




Von der Kamera...

Der erste Schritt war, als Nächstes einen Film über einen Toten zu machen. Der kann keine Änderungswunschliste mehr vorlegen, die man in vierstündiger Telefonkonferenz bis ultimo abwehren muss. Aber das ist eine andere Geschichte.



Der zweite, gewagtere Schritt war das Ergebnis der Verkettung einer vagen Erinnerung mit einem Zufall. Für das Porträt über den Toten machte ich ein Crowdfunding. Bedingung der Plattform: Ich muss im Vorstellungsvideo selbst vor die Kamera. Die Crowd soll schließlich wissen, wem sie ihr Geld anvertraut. Ich weiß nicht mehr, wie viele Takes ich gedreht habe, weniger aus Eitelkeit, sondern weil ich so steif war, dass meine Crowd mir wahrscheinlich eher einen Physiotherapeuten vorbeigeschickt hätte, als mich finanziell zu unterstützen. Und da erinnerte ich mich, dass ich als Jugendlicher mit einiger Begeisterung geschauspielert hatte. Nur, wo war diese Lockerheit geblieben?



Nun gehört zu meinem Bekanntenkreis ein unter Schauspielern gut bekannter Mann, selbst Schauspieler aber auch Schauspiellehrer. Ich kannte ihn noch aus Filmhochschulzeiten, aber erst ein gemeinsamer Freund brachte uns Weihnachten 2015 an einem Kneipentisch wieder zusammen. Gelegenheit für mich, ihm halb im Suff, halb im Spaß zu sagen, dass ich vielleicht mal eines seiner Schauspielseminare besuchen müsse, um wieder locker zu werden. Vier Monate später kam die Einladung. Nach einigen Zweifeln habe ich sie angenommen. Was das bedeutet hat, ist wieder eine andere Geschichte. Aber sie hat mich dahin gebracht, von wo ich eigentlich erzählen möchte, nämlich vor die Kamera.




...vor die Kamera

Ein weiterer Freund wusste von meinem jüngsten Hobby und leitete mir ein Facebookgesuch für einen männlichen Schauspieler weiter. Profil: Vater, Ehemann der Hauptfigur, in seinen Vierzigern, und als Geschäftsmann tätig. Ich bewarb mich und wurde zum Casting eingeladen. Zweistufig, erstmal Leseprobe. Obgleich ein NoBudget-Film, nahm die Gruppe internationaler Filmschaffender, die sich für dieses Projekt zusammengefunden hat, die Arbeit sehr ernst. Und die Szene, die ich für das Vorsprechen einstudieren sollte, erschien mir auch gut geschrieben. Es ging zur Sache. Die Ehefrau kommt nach Hause zurück, nachdem sie den siebenjährigen gemeinsamen Sohn in einem Geschäft allein zurückgelassen hat und der Verkäuferin ihr Telefon hingelegt, die Nummer vom Ehemann schon wählend. Es kommt zum Krach und schließlich zu Handgreiflichkeiten, die für meine Rolle schlechter ausgehen.



Foto Claudia Kantner
Foto Claudia Kantner


Das erste Vorsprechen hatte ich gut hinter mich gebracht. Ich war ganz schön nervös gewesen. Wie beantwortet man die Frage nach der Schauspielerfahrung, wenn man quasi keine hat? Ich wurde zum zweiten Casting eingeladen. Diesmal sollte ich mit der bereits für die Hauptrolle besetzten Schauspielerin die Szene spielen. Sie war ein echter Profi, ich habe alles gegeben.



Wenig später kam die Email, dass sie mit mir drehen wollen. Zwei Tage in zwei Wochen. Ich sagte zu und sogar lukrative Kamerajobs ab, nur weil ich es jetzt wissen wollte. Ich war gespannt und aufgeregt und irgendwie unterschied sich dieser Zustand erheblich von dem, was ich vom Drehen hinter der Kamera kenne. Auch da gibt es Nervosität. Aber beim Helene-Film zum Beispiel habe ich selbst gedreht, und da gibt es allein mit der Kamera soviel, an dem man sich zugleich festhalten kann, dass der freie Fall, den kreatives Arbeiten immer bedeutet, bereits abgefedert wird.






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